Die Route

Von 355km verlaufen 153 km auf Pilgerwegen, 184 km auf ausgewiesenen Radwegen (z.T. deckungsgleich), und 18 km in der Ostheide auf sonstigen Wegen der ADFC-Radreiseregion Uelzen (Oerrel>kurz vor Bunkenburg).
Die Pedalpilgerroute ist mit muskelangetriebenem Trekking- oder Gravelbike gut zu befahren. Für Rennräder ist sie wegen der Kopfsteinpflaster und möglicherweise matschigen Waldtrails nicht geeignet. Auf den Flussrad- und Waldwegen liegen hier im Norden viele Kiefernzapfen. Eine robuste Bereifung ist daher empfehlenswert. Ob auch schwere Pedelecs die Route fahren können, kann ich nicht beurteilen.

Auf Pilgerwegen

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Auf Radfernwegen

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Die Tagesetappen

Start und Ziel ist der Bf. Celle. Grundsätzlich können alle Unterwegs-Bahnhöfe Start- und Zielpunkte sein, je nachdem, von wo aus man den Rundkurs anfährt. Dann ändern sich allerdings die einzelnen Etappen und Übernachtungsorte. 50-60 km pro Tag sind auch für Muskelbikes machbar. Plant man die Klosterführungen von 90 Min. (meist am frühen Nachmittag) ein, muss man die Tages-km verkürzen und die Gesamtreisezeit entspr. verlängern. Pilgerbetten gibt es in [Walsrode] und [Lüne], sowie im [Geistl. Rüstzentrum Krelingen] und im [Missionarischen Zentrum Hanstedt I] (von Ebstorf 3 km). In Soltau steht die kleinste Pilgerherberge Deutschlands, und in Marbostel ein weiteres Pilgerhaus. Das Kloster Isenhagen hat ein [Gästehaus] (auch „Kloster auf Zeit“, primär für Frauen). In Medingen kann man im [Gustav-Stresemann-Institut] neben dem Kloster nachfragen, und in Wienhausen ist das [Hotel der Lebenshilfe Celle] (direkt buchen) neben dem Kloster. Schlafplätze (ohne Betten) gibt es in [Bienenbüttel]. Andere Orte: Bei den Kirchengemeinden am Weg einfach mal nachfragen.

1.
Celle – GRZ Krelingen

(68,6 km) Von Winsen bis Wietze ist der östl. Jacobusweg identisch mit dem Aller-Radweg. In Schwarmstedt wird der westl. Jacobusweg erreicht. Die Kirchen in Winsen, Schwarmstedt und Ahlden sind offene Pilgerkirchen. Von Hodenhagen bis Krelingen lässt die Route einige Schleifen des Jacobuswegs aus. Das GRZ Krelingen hat ein Pilgerzimmer. Die Rezeption ist bis 18 Uhr geöffnet. Frühstück optional.

2.
GRZ Krelingen – Kloster Walsrode – Munster

(64,2 km) Vom Kloster Walsrode bis Soltau ist der Jacobusweg identisch mit dem Leine-Heide-Radweg. Dann geht es auf dem Lüneburger-Heide-Radweg weiter bis Munster. Die Schafstallkirche St. Martin und die St. Urbanikirche sind offene Kirchen. Das Doppelhotel „Deutsches Haus“ und „Hotel Stadt Munster” liegt im Zentrum einander gegenüber. Fahrradgarage erfragen!

3.
Munster – Kloster Ebstorf – Kloster Lüne

(63,8 km) Der Heideregion-Radweg 25 führt am Truppenübungsplatz Nord entlang und wird selten gesperrt (in der Tourist-Info nachfragen!) Der Lüneburger-Heide-Radweg war 2025 im Unteren Süsing durch Holzrückearbeiten mit schwerem Gerät auf sandigem Weg auf ein paar 100 m nur schwer befahrbar. Ab Deutsch Evern schöner Waldweg nach Lüneburg und weiter zum Kloster Lüne. Einchecken und Barzahlung für das Pilgerzimmer bis 17 Uhr erwünscht. Kein Frühstück.

4.
Kloster Lüne – Kloster Medingen – Gebetshaus Uelzen – Klein Süstedt

(61,1 km) Frühstück gibt es beim Bäcker in Lüneburg. Der Ilmenau-Radweg ist nicht ganz identisch mit der Via Scandinavica, die direkt am Fluss entlangführt (bis Medingen). In Bienenbüttel gibt es Schlafplätze (keine Betten!) für Pilger im Gemeindehaus. Kloster Medingen ist das einzige barocke Heidekloster. Das „Gebetshaus Lüneburger Heide“ in Uelzen ist zwar kein Kloster, aber dort wird jeden Tag multikonfessionell gebetet. Das Landhaus Wegener in Klein Süstedt liegt geringfügig abseits vom Ilmenau-Radweg. Fahrradgarage vorhanden!

5.
Klein Süstedt – Kloster Isenhagen – Immanuelskirche Groß Oesingen – Zahrenholz

(64 km) Hinter Bad Bodenteich mit seiner offenen Kirche geht es auf dem Weser-Harz-Heide-Radfernweg an der Schleuse Uelzen ein Stück am Elbe-Seitenkanal entlang. In Hankensbüttel ist das Otterzentrum in der Nachbarschaft von Kloster Isenhagen eine Pause wert. Ab Oerrel führt die Route über nicht mehr ausgewiesene Pilger- und Radfernwege nach Groß Oesingen mit seiner Immanuelskirche, die zur Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK) gehört. Ein sonntäglicher Ruhetag auf der Pilgerfahrt gewährt interessante Einblicke in die „Hermannsburger Erweckung“ des 19 Jhdts.

6.
Zahrenholz – Kloster Wienhausen – Celle

(35,2 km) Die letzte Etappe ist die Kürzeste, weil ja noch die Abreise per Bahn gemacht werden muss. In Lachendorf an der Lachte werden wieder alle Pilger- und Radwege erreicht, die nun bis Celle die Heideklöster-Pilgerfahrt vervollständigen. Kloster Wienhausen ist architektonisch das ansehnlichste Heidekloster. Der Gemeindeteil der Klosterkirche ist offen und offeriert aufmerksamen Pilgerservice. Der östliche Jacobusweg Lüneburger Heide bzw. Aller-Radweg führt an der großen Fischtreppe am Theewinkel vorbei. Das Pilgerziel Celle auf dieser Route bietet viele Fachwerkhäuser, ein Renaissance-Schloss in der Stadtmitte, und ist internationales Zentrum für Bohrtechnik.

Die sechs Heideklöster wurden nach der lutherischen Reformation im 16. Jhdt. nicht aufgelöst. Bis heute leben dort evangelische Frauenkonvente, sorgen für die Erhaltung der Kulturgüter und pflegen das Gebetsleben. Sie waren der Aufhänger, diesen Rundkurs nicht nur als touristisch wertvoll, sondern auch als Pilgerweg mit geistlichen Impulsen zu befahren. Beim Pilgern ist das Auf-dem-Weg-Sein (mit den Klöstern und Kirchen als „Oasen am Weg“ oder echten Pilgerstationen mit Übernachtung) die entscheidende Erfahrung. Daher habe ich Klosterführungen bzw. ausführliche Besichtigungen nicht mit eingeplant. Umso schöner war es, in Walsrode, Ebstorf, Lüne und Wienhausen Rezeptionen bzw. offene Klosterstuben und Stiftsdamen anzutreffen. Geschlossene Kirchen ausgerechnet an Pilgerwegen sind ein No-Go. Dass es auch anders geht (sogar auch ohne Ehrenamtler), zeigen ja die offenen Kirchen! Auch die einzige kath. Kirche (am Ilmenau-Radweg in Bad Bodenteich) war, entgegen der eigentlich üblichen Praxis, geschlossen. So sind knapp über die Hälfte meiner Stempel im Pilgerpass nicht kirchlich, sondern von Cafés, Supermärkten u.ä, oder von evangelischen Einrichtungen (KiTa, Diakoniestation). Bei letzteren musste ich den Mitarbeiterinnen oft erst einmal erklären, was ein Kloster und Pilgern überhaupt ist, und dass Christen das auch heutzutage machen. Dass in allen Klöstern mindestens einmal wöchentlich (oder auch öfter) zu Gebetszeiten eingeladen wird, hebt sie aus dem reinen Museumsbetrieb heraus (Kirche nur noch als Museum? Eine schreckliche Perspektive!). Alle Klosterkirchen sind auch Gemeindekirchen und zu den Gottesdiensten zugänglich. Vielleicht sind Pilger, Wallfahrer oder Kultur-Touristen und deren Betreuung auch ein pastorales Projekt für die Klostergemeinden selber, wenn die Konventualinnen (aus welchen Gründen auch immer) es nicht machen (können)? Wo die Stiftsdamen unmittelbar mit Kindern und Jugendlichen arbeiten, oder „Stille Zeiten“, auch mit Coaching anbieten, findet man echte Hoffnungsorte!

Pilger der Hoffnung

Das katholische „Heilige Jahr“ und das „Hoffnungsjahr“ der weltweiten Evangelischen Allianz sind 2025, vermutlich ganz ungeplant, eine Symbiose eingegangen. So, wie es unsere Gemeinden sein sollen: Sind die Heideklöster „Hoffnungsorte“? Mehr zu deren geistlichem Profil ist hier zu finden. Hoffnung heißt, nicht nur irgendwie einen gewissen Optimismus auszustrahlen, sondern Hoffnung, proaktiv im Alltag gelebt (Seid stets bereit, jedem Rede und Antwort zu stehen, der nach der Hoffnung fragt, die euch erfüllt, 1. Petr. 3, 15b) heißt: Barmherzig sein! Hoffnung, die mich nicht nur erfüllt, sondern die zum Verschenken da ist! Gelebte Hoffnung wird so zu praktizierter Jüngerschaft. Geistlicher „roter Faden” an jedem Pilgertag und am 1. Tag zu Hause sind zwei praktische Hoffnungs– bzw. Jüngerschaftsperspektiven, als Impuls jeweils für den Vormittag und den Nachmittag:

Barmherzigkeit leiblich (L)

  1. Hungrigen zu essen geben
  2. Durstigen zu trinken geben
  3. Obdachlose beherbergen
  4. Nackte bekleiden
  5. Kranke besuchen
  6. Gefangene besuchen
  7. Tote begraben
  8. Umwelt und Klima schützen
Foto: Die Heilsarmee kann das.

Barmherzigkeit geistlich (G)

  1. Unwissende lehren
  2. Zweifelnde beraten
  3. Trauernde trösten
  4. Sünder höflich hinterfragen
  5. Beleidigern gerne verzeihen
  6. Lästige geduldig ertragen
  7. für Lebende und Verstorbene beten
  8. Die Schöpfung bewahren

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Foto: Lern- und Hoffnungsort Andreas-Gemeinde Osnabrück:
Pfadfinder gestalten
und leiten einen Sonntagsgottesdienst.

1. Etappe

Die Strecke

In Celle startet mein Pedalpilgerweg mit dem malerischen Radweg am Flüsschen Fuhse, um dann bis Winsen den Aller-Radweg zu nutzen, denn der (östliche) „Jacobusweg Lüneburger Heide“ verläuft auf der anderen Allerseite und ist nicht befahrbar. Der Aller-Radweg auf der Nienburger Str. führt als Fahrradstraße über die alte Trasse, und biegt dann hinter dem CeBus-Depot in die Allerniederung ab. Er ist weitgehend unbefestigt, aber gut zu befahren.

Die erste Pilgerstempel-Station ist dann St. Johannes in Winsen, wo Jacobusweg und Aller-Radweg sich vereinen. In Wietze am Abzweig „Zur alten Fährstelle“ verlässt der Pilgerweg den Radweg in Richtung Kloster Mariensee in Neustadt am Rübenberge. Ich fahre aber auf dem Aller-Radweg weiter und schaue mir am Rastplatz mit einem historischen Ölförderturm die Infotafeln mit der Geschichte der Erdölförderung an, die Mitte des 19. Jhdts. hier in Wietze ihren Anfang nahm und erst 1964 unrentabel wurde. In Buchholz mache ich zum Mittagsimbiss einen kleinen Schlenker zum Autohof, wo ich auch meinen Wasservorrat auffüllen kann, denn es sind 36°! Bis hierhin war der Aller-Radweg wunderbar schattig.

Richtung Schwarmstedt macht der Radweg noch eine große Schleife, die ich aber auf der Kreisstraße „Alte Mühle“ bzw. „Mühlenstr.” abkürze. Pilgerstation in der Laurentiuskirche mit ihrem schönen Orgel-Altar. Den Stempel gibt es im Tourist-Info-Büro Am Markt 1. Ab hier sind Aller-Radweg und westlicher Jacobusweg identisch, dem ich bis Soltau folgen werde. Am Weg liegt in Grethem das „Blaubeerland“ mit Café und Hofladen, wo in den 1930-er Jahren der Anbau der Kulturheidelbeere begonnen hatte, und in dieser Gegend immer noch prägend ist. Ahlden wartet gleich mit drei weiteren Highlights auf, nämlich der St. Johanniskirche, in der ich leider keinen Pilgerstempel gefunden habe, dem Schloss Ahlden und dem originellen „Scheunenviertel“, die ich allerdings ausgelassen habe, weil ich den Aller-Radweg auf diesem Abschnitt schon einmal gefahren bin. Hier wechselt der Jacobusweg auf den Leine-Heide-Radweg, den ich aber in Hodenhagen schon wieder verlasse, um etwas direkter das „Geistl. Rüstzentrum Krelingen“ anzusteuern. Am 1. Tag also noch kein Heidekloster, sondern ein evangelisches Bildungshaus, das ich immer schon mal kennenlernen wollte. Es liegt am Jacobusweg und hält ein Pilgerbett mit optionalem Frühstück bereit. Den Abstecher zur Kapelle in Hudemühlen lasse ich aus und hole mir den „Pilger“stempel im Netto-Markt (in Krelingen gibt es keine Einkaufsmöglichkeit).

Ab Hodenhagen geht es also etwas abweichend von der Routenführung des Jacobus- und Leine-Heide-Radwegs auf gerader Asphaltpiste durch die Basselmannsheide, und nach ca. 4 km unbefestigt rechts ab in den Blockshornwald direkt nach Krelingen. Bei Regenwetter könnte dieser Abschnitt unbequem sein – er ließe sich mehr in Richtung Düshorn oder auf der offiziellen Route auch umfahren. Die Brücke über die A 27 hat als überraschung Pflasterung mit Katzenkopfsteinen, die mir in der Lüneburger Heide noch öfter begegnen werden und leider nicht viel mehr als Schritttempo ermöglichen. Aber nach ein paar 100 m ist auch das vorbei und die Pilgerstation mit ihrem Nachtquartier („Budgetzimmer“) kommt in Sicht. Hier darf ich sogar ungeplant noch zu Abend essen.

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Die Impulse

L 1. Hungrige...: Es ist ja so einfach, Bettelnde zu übersehen...! Oder Hunger „im übertragenen Sinne“ zu verstehen: geistlicher Hunger, Bildungshunger (das kommt nachher noch!), ein Internet-Versand heißt sogar „Reishunger“, so als ob wir Bürgerlichen den wirklich hätten. Nein, es ist ganz handfest gemeint: Haste schon gegessen? Nein? Komm, dann setz Dich zu uns! Wie gastfreundlich bin ich denn? In der Ordensregel des Hl. Benedikt steht Gastfreundschaft ganz oben: Alle Gäste sollen so aufgenommen werden, als ob Christus uns höchstpersönlich die Ehre seines Besuches geben würde (RB 53, Mt. 25,35): Jesus begegnen, quasi sakramental, ganz ohne Amt und Weihe! In benediktinischen Klöstern muss man sich nicht unbedingt anmelden. Die Klosterpforte ist außer nachts und beim Stundengebet immer besetzt. Und in der Wärmestube oder bei der Tafel gibt es unseren Wohlstandsüberschuss. Das heißt: Wir verschenken nicht wirklich etwas. Dass das politisch so ist – eigentlich ein No-Go. Eigentlich...

G 1. Unwissende...: Ich kann gut schulmeistern, und nerve meine Enkelkinder manchmal damit. Ich sollte erst einmal zuhören und erst reden, wenn ich gefragt werde. Und dann nicht „von oben herab“, um mit meinem Wissen anzugeben, oder gar als Machtmittel zu missbrauchen. Zum Lernen zu motivieren, und Kindern den Spaß am Lernen zu vermitteln, ist vielleicht sogar noch wichtiger, als das Lernen und Lehren selber. „Lernt von mir; denn ich bin gütig und von Herzen demütig“, so der Pädagoge Jesus u. a. zur Beschreibung von Barmherzigkeit (Mt. 11,29).

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2. Etappe

Die Strecke

Nach einer guten Nacht im Geistl. Rüstzentrum Krelingen Morgenandacht mit den Mitarbeitenden des Hauses: Lied, die Tageslosung und der verlesene Impuls aus dem Neukirchener Kalender, freie Fürbitten und Segen für den Tag. Warum beim anschließenden, guten Frühstücksbuffett die anwesende Radfahr(!)-Seminargruppe während des Frühstücks noch extra eine (etwas längere...) Ansprache bekommen hat, erschließt sich mir nicht. Nach Auschecken mit Pilgerpass-Stempel bin ich auf dem guten Seitenradweg der K 146 (Mühlenstr.) direkt nach Düshorn durchgefahren und nicht durch den Wald auf die alte Celler Heerstr. abgebogen. Die Anfahrt zum 1. Heidekloster Walsrode erfolgt durch den Böhmewald auf einem Waldtrail. Die lange Klosterseebrücke führt zum Klostergelände. Das 1. Heidekloster meiner Pilgerfahrt! Die Klosterkapelle kann man ab 10 Uhr direkt durch die Stadtkirche erreichen (vorne rechts), wo normalerweise auch der Stempelkasten ist. Da ich früher angekommen bin, konnte ich mich an eine der freundlichen Stiftsdamen wenden, die gerade draußen war und über mein Pilgerweg-Projekt Bescheid wusste. Das Kloster Walsrode macht einen sehr offenen Eindruck, auch was die Programmgestaltung bes. mit Kindern und Jugendlichen angeht. Im Kloster gibt es Pilgerzimmer. In der Klosterkapelle ist der barocke Fensterrahmen um das gotische Glasfenster ein origineller Stilmix. Die große Stadtkirche daneben ist ein klassizistischer Saalbau mit zweistöckigen, umlaufenden Emporen und Kanzelaltar, der einem in der Heide noch oft begegnen wird. Interessanterweise wurde diese Raumarchitektur ab Mitte des 19. Jhdts. nicht weiter entwickelt.

Meine Route auf dem westl. Jacobus- bzw. dem Lüneburger-Heide-Radweg bis Soltau verlässt die Umgehungsstr. von Walsrode (mit Seitenradweg) auf dem Meinerdinger Kirchweg und erreicht nach kurzer Zeit Bad Fallingbostel, wo sich der Autoverkehr (offensichtlich gewollt) mitten durchs Zentrum quält... Die Dionysiuskirche könnte eine Pilgerkirche sein und präsentiert sich als „verlässlich geöffnet“, was aber leider nicht der Fall war. Im Pfarrhaus war auch niemand anzutreffen, sodass ich mir einen „Pilger“stempel – nach einiger Diskussion – im evangelischen Kindergarten abholen durfte. Ein Abstecher zum Schalter in der Stadtverwaltung brachte auch nichts: Das draußen angebrachte Schild der Tourist-Info hatte nur einen QR-Code und sollte lediglich die Location anzeigen, die sich ganz woanders, nämlich im Kurhaus befindet, aber, wie ich am Rathausschalter erfuhr, krankheitsbedingt gar nicht besetzt war. Und mit der Kirche hätte man „rein gar nichts zu tun“...

Der Pilger- und Radweg bis Dorfmark gehört mit zu den schlechtesten Wegstrecken, die ich auf meiner Rundfahrt gefahren bin. Kopfsteinpflaster und anschließend eine von tiefen Schlaglöchern übersäte Schotterpiste haben mich zu der Idee verführt, bis Soltau die Bahn zu nehmen, was ich aber dann doch nicht gemacht habe. Auch solche Unbilden gehören nun mal zum Pilgern. Im endlich außerhalb des Dorfkerns gefundenen Pfarrhaus von Dorfmark (Hauptstr. 18) erfuhr ich, dass die Zuständigkeiten zwischen der Kommune und Privatbesitzern hin- und hergeschoben werden. Auch die Pilgerkirche in Dorfmark war leider geschlossen. Zum Glück war die Pfarrhausadresse im Schaukasten angegeben, und ich bekam meinen begehrten Pilgerstempel. Der Pilgerservice in Dorfmark soll noch unkomplizierter und entspr. verbessert werden.

Von Dorfmark aus geht es weiter – in Hörweite der A 7 – das Böhmetal hinauf, und von Tetendorf auf einem schönen Pättken durch Breidings Garten direkt an der Böhme entlang nach Soltau hinein. Ein Mittagsimbiss mit mitgebrachten Lebensmitteln in der Natur hat auch seinen Reiz! Dieser wunderschöne Abschnitt hat die Unbilden des Vormittags dann wieder wettgemacht.

In Soltau verzweigt sich der Jacobusweg Lüneburger Heide in einen West- und Ostteil. Aber die Johanneskirche steht leider nicht als Pilgerkirche offen, sondern war geschlossen. Ich war mittwochsmittags dort. Keine Hinweise im Schaukasten. Kirche nur für Insider. Angesichts der hohen Temperatur mit 39° war dann die Eisdiele in der Fußgängerzone ein willkommener Pausenplatz, die auch gerne in den Pilgerpass gestempelt hat. Weil dort aber ein Wegweiser zur Touristen-Info stand, gab es dann noch den offiziellen Stempel mit der Jakobsmuschel! Am zentralen Platz gibt es eine Fahrrad-Reparatur- und Ladestation, sowie Toiletten, die aber nur mit einer 50 ¢-Münze benutzt werden können. Der Bioladen um die Ecke hat ebenfalls eine Toilette, wo man an der Kasse den Schlüssel bekommt. Mir wurde sogar ein Sitzplatz im Bistro und ein Glas Wasser angeboten. Barmherzigkeit (2. Durstigen zu trinken geben!) kann man also mitten in der weltlichen Geschäftigkeit erleben, wenn die Kirche im Sleep-Modus ist... Bei der Lutherkirche habe ich nicht mehr nach offener Kirche gesucht. Mit ein paar Bio-Schnäppchen konnte ich dann einen gesunden Mittagsimbiss für den nächsten Tag sichern.

Bis zum Tagesziel in Munster an der Örtze ging es auf einem schönen und schattigen Waldweg durchs Oeninger Moor, der hinter dem Dorf wieder ein kurzes Stück Kopfsteinpflaster hatte. Dann auf Asphalt Richtung Osten in großem Zickzack an einigen Hügeln vorbei mit kurzem Trailabschnitt an der Bahn (dort ist kurz vorm Bahnübergang rechts am Feldweg ein „Konfluenzpunkt“ 53° N/10° E, ganzzahliger Breiten- und Längengrad) zur B 71 mit Seitenradweg (und viel Autoverkehr...). Aber Munster war nicht mehr weit, und die originelle Schafstallkirche empfing mich unterm Reetdach mit ihrer wohltuenden Kühle, ganz ohne elektrische Klimaanlage! Obwohl zwischen Soltau, Munster und Kloster Ebstorf kein offizieller Pilgerweg verläuft, hat die daneben befindliche Diakonie-Station freundlich für den „Pilger“stempel gesorgt. Der Lüneburger-Heide-Radweg verlässt die B 71 am Ortseingang von Munster und führt durch Wohngebiete mit typischen Militär-Mietskasernen, die diese Stadt prägen – und in Zukunft wohl auch noch wieder stärker gebraucht werden.

Die Unterbringung in einem Doppelhotel im Stadtzentrum ging mit einigem Hin- und Herlaufen vonstatten, war aber ansonsten okay. Abends war noch genug Zeit für einen Rundgang zur gotischen St. Urbani-Kirche, die überraschenderweise nach 18 Uhr noch geöffnet war. Wassermühle und Museumshof liegen mit der einsam stehenden Kirche an einem großen, parkartigen Gelände, das wie nie bebaut aussieht, oder in alten Zeiten vielleicht mal abgebrannt, oder oft überschwemmt war. Ich habe es nicht herausbekommen. Ein warmer Döner hat den Tourenteil dieses Tages beschlossen.

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Die Impulse

L 2 Durstige... Ich kann es nachempfinden, heute bei 39° am Nachmittag. Ich wurde gewarnt – aber der Fahrtwind macht einiges wieder gut, und der Pilger- und Radweg bietet oft Schatten. Ich komme also gut voran. Ich habe genug Wasser mit. Ich kann Trinkpausen einlegen. Wie mag es Flüchtlingen gehen? Wie ist es in der Ukraine und Gaza, wo die Wasserversorgung in Trümmer gebombt wird? Wie ist es überhaupt mit den Fluchtursachen: Zu wenig, oder zu viel Wasser... Die komplexen Zusammenhänge der Klimagerechtigkeit kommen beim „8. Werk der Barmherzigkeit“, das PP. Franziskus hinzugefügt hat, nochmal zu Bewusstsein. Jesus preist hungern und dürsten nach Gerechtigkeit selig (Mt. 5,6). Es geht um Menschenwürde, und uns Christgläubigen muss klar sein: Für alle!

G 2 Zweifelnde... Zweifel ist nicht das Gegenteil von Glaube. Fragen zu stellen ist immer gut – auch Dogmen infrage zu stellen. „Christlicher Glaube kann doch nicht das Produkt von verdrängten Zweifeln sein!“ hat, glaube ich, der Theologe Helmut Thielicke mal gesagt. Christlich zu glauben ist mehr als das Fürwahrhalten von Dogmen bzw. Katechismus-Sätzen, oder Anhänger einer Weltanschauung zu sein. Wir tappen immer wieder in die Ideologie-Falle! Christlich zu glauben ist vor allem, Gott zu vertrauen (Röm. 4,5)! Und zwar, weil er sich für Dich und mich interessiert. Weil er möchte, dass es uns Menschen (allen!) gut geht (1. Tim. 2,4). Vertrauen spielt sich auf der Beziehungsebene ab. Christlich zu glauben ist also weniger Kopfsache, sondern eine Herzens-Angelegenheit (womit wir wieder bei Barm-herzigkeit wären). Für mich ist Jesus glaub-würdig! Ich nehme es ihm ab, dass Gott in ihm für meine Verstrickung in das Böse dieser Welt Mensch geworden, ans Kreuz gegangen ist, und den Tod besiegt hat. Auf diesen Basics bleibt meine Hoffnung lebendig! (1. Petr. 1,3)

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3. Etappe

Die Strecke

Bei etwas gemäßigteren Temperaturen ging es in Munster auf den Heide-Region-Radweg Nr. 25 nach Ebstorf. Ich habe mich vorher telefonisch erkundigt (05192-8998-0), ob er auch freigegeben ist, denn er führt direkt am Truppenübungsplatz Munster-Nord entlang. Nicht gesperrt! (Was durchaus vorkommen kann, wie man an der Schranke sehen kann.) Ein Fahrgefühl wie auf der Autobahn auf der breiten Panzerstraße! Anhalten und „sich in die Büsche schlagen“ streng verboten. Militärfahrzeuge rauschen vorbei. Nach ca. 17 km wird die Straße wieder „normal”, und in Brockhöfe lockt ein schöner Rastplatz zur ersten Pause.

Bis Bode folgt die Radroute dem Flüsschen Schwienau, das schon im Mittelalter die Schweine zum Suhlen lockte, und deshalb so heißt. In Allenbostel nicht durch den Radwegweiser nach Ebstorf irritieren lassen, sondern auf der K 23 weiterfahren. Auf einer langgezogenen Talfahrt kommt auch schon der Ebstorfer Klosterkirchturm in Sicht, und das 2. Heidekloster Ebstorf kann über den „Superintendentengang“ angesteuert werden. In der Ferne ertönt Marschmusik, und von einer wartenden Kinderschar und weiß-grünen Wimpelbändern auf dem Kirchplatz informiert, wird schnell klar, dass heute Schützenfest ist, und die Schützen hier ihren Gefallenen-Appell halten werden. Und es war durchaus beeindruckend, was da an Musikkapellen und historischen Uniformen aufmarschierte! Sogar eine ansehnliche Mannschaft der Bundeswehr aus dem nahen Munster marschierte mit. Ebstorfer-Weltkarte Die Schützen zogen noch auf den Klosterhof und machten der Frau Äbtissin ihre Aufwartung, die eine Ansprache hielt, natürlich im Stiftsornat. Es gab aber noch ausreichend Zeit für eine Besichtigung des Klosterhofes und einen Plausch mit einer Stiftsdame, welche die Gewalt über den Pilgerstempel hatte. Kloster Ebstorf ist berühmt wegen seiner 3,6 m großen mittelalterlichen Weltkarte: Die Erde als Scheibe und noch ohne Amerika.

In der Lüneburger Heide gibt es einige Dörfer gleichen Namens, und so führte mich wieder der Lüneburger-Heide-Radweg erst einmal nach Hanstedt I. Hier habe ich die Stippvisite zur St. Georgskirche (z.Zt. in Renovierung) und zum Missionarischen Zentrum (es bietet Übernachtung und Mittagessen nach Anmeldung an) ausgelassen. Hinter Eitzen II gab es wieder einen Abschnitt mit dem gefürchteten Kopfsteinpflaster, und die Passage durch den Süsing auf gut zu befahrendem Schotter. Aber die flotte Fahrt durch den Wald wurde bald wieder mit der nächsten Kopfsteinpflasterpiste ausgebremst, und der daran anschließende Sandweg war durch Holzrückearbeiten so schwer befahrbar, dass meine Reifen schließlich in tiefem Sand ihren Dienst aufgaben. Das hatte ich bei der Routenplanung befürchtet – aber es ist nur hier und nur ein Mal passiert. Zum Glück konnte ich nach 200 m wieder aufsatteln, und der Weg „Am Apfelgarten“ nach Barnstedt war dann erholsam asphaltiert. Mittagspause mit dem in Soltau gekauften Imbiss an der Sitzgruppe am Feuerwehrhaus.

Die Weiterfahrt nach Lüneburg geht über die K 33 nach Melbeck, überquert die B 4 und mündet nach 2 km in den Ilmenau-Radweg. Hinter Deutsch Evern an der „Roten Schleuse“ zweigt schrägrechts der Waldweg mit den Radrouten in den Düvelsbrook ab. Viel herumliegendes Totholz vom letzten Sturm machten die Wegerkennung etwas schwierig, aber hinter der „Handwerkerbrücke“ geht es erst links und dann wieder rechts weiter. (komoot hat da zuverlässig navigiert.) Bis weit in die Stadt hinein geht es sehr schön durch dichten Wald, dann auf den „Düvelsbrooker Weg”, und schlagartig hat man die rechte-Winkel-lose Leuphana-Universität des Architekten Daniel Libeskind vor der Nase. Ein Stück Seitenradweg an der Universitätsallee, und dann folgt ein langer, seperater Radweg zwischen Willy-Brandt-Str. und der Ilmenau. Der Straße folgend wechselt der Radweg nun als Seitenradweg auf die linke Straßenseite an der Altstadt vorbei bis zur Altenbrückertorstr. Meine Planung hat mir den Altenbrücker Damm vorgeschlagen, aber der ist wieder mal mit Kopfsteinen gepflastert – allerdings im etwas glatteren Stadtformat. Ein kleiner Schlenker zur Bahnhofstraße wäre besser gewesen, denn dann bekommt man auch die originelle Anlage des Lüneburger Bahnhofs mit seinen zwei einander gegenüberliegenden Empfangsgebäuden zu Gesicht. Der Lüner Damm ist nach 1 km parallel zur Bockelmannstr. wieder ein Radweg, hoch auf einem von uralten Linden bestandenem Damm, der direkt hinter dem Tunnel unter der Bahn über „Am Domänenhof“ zum 3. Heidekloster Lüne führt. Der Eingang in den Klosterhof besteht aus einem niedrigen Torweg und ist ausgeschildert. Bis 17 Uhr ist das Büro an der Brunnenstube des Klosters besetzt, wo man den Schlüssel für die Pilgerstube bekommt. Keine Kartenzahlung!

Diese 3. Etappe der Pedalpilgerfahrt Heideklöster ist nicht ganz so lang wie die anderen Tagestouren. Daher blieb noch Zeit für eine Stadtrundfahrt in meiner Lieblingsstadt, zu der ich als 8-jähriges Verschickungskind meine erste „große Reise“ gemacht hatte, und wo ich mich seitdem immer noch grob auskenne. (Im Gegensatz zu vielen anderen Kindern habe ich gute und angenehme Erinnerungen an diese sechs Wochen.) Auch die offizielle Pilgerstempelstelle in der St. Michaeliskirche am Kalkberg wollte ich aufsuchen. Die „Via Scandinavica“ führt durch Lüneburg. Leider war der Kirchenwächter in der Kirche nicht übers Pilgern informiert, und dass der Pilgerstempel sich eigentlich in seiner Butze befindet. Nachdem ich nach einiger Suche das Gemeindebüro gefunden hatte („Auf dem Michaeliskloster 2b, gelbes Fachwerkgebäude, neben dem Landkreis (Hausnrn. 4), hinter der Kirche, der Eingang befindet sich an der Straßenseite, über die steile Betontreppe“), war es der Pfarrsekretärin sichtlich peinlich, dass sie mir nur den normalen Gemeindestempel in meinen Pilgerpass drücken konnte. Aber mir wurde versprochen, diese Dinge zu verbessern. Dafür prangt aber auch der wunderschöne Stempel des Klosters Lüne neben dem von Kloster Ebstorf.

Weil zur Pilgerstation im Kloster Lüne kein Frühstück gehört, habe ich noch Ausschau nach einer Bäckerei für den nächsten Morgen gehalten, und ein warmes Abendessen beim Italiener genossen.

⮝ Etappen


Die Impulse

L 3 Obdachlose... Eine zunehmende Herausforderung für unsere Gesellschaft, die Politik, für uns Christen: Auch Frauen, auch immer Jüngere. Knapper Wohnraum. D.h., wir können gar nicht alle Bürger unterbringen! Und dann sitzen da noch Flüchtlinge in den Unterkünften fest, weil es nicht genug Wohnungen gibt. Jesus nennt das beim Gericht beim Namen (Mt. 25,35 )! Es geht beim Christsein nicht um viel Beten oder viel Gottesdienstmitfeiern, sondern um Barmherzig-Sein – ganz genau! „Barmherzigkeit will ich, nicht Opfer“ (Mt. 9,13 zitiert den alttestamentl. Propheten Hosea 6,6). Wer sich Notleidender annimmt, nimmt sich Jesus Christus höchstpersönlich an. Auch, oder gerade das, ist praktizierte Lebensübergabe. Das ist echt sakramental! Wir müssen gar nicht auf Sakramentsverwalter (CA 7, KK 1547) warten, um die lebendige Gegenwart des auferstandenen Jesus Christus heute zu erfahren! Und dann ist da noch die Verweigerung des Asyls an besonders Schutzbedürftige nach Durchlaufen (!) der Aufnahmeverfahren, sowie politisch Verfolgter an unserer Binnengrenze, und die nicht ganz, aber doch massive Verweigerung des Familien-Nachzugs: Das „christlich-sozial“ zu nennen, ist glatter Betrug und ein Verrat am Evangelium. Und ich? Wir wohnen in einer viel zu großen Wohnung, aber Ersatz ist nicht sichtbar, und wenn, wäre er zudem teurer. Es ist ein Dilemma, dem wir nicht so schnell entrinnen können...

G 3 Trauernde... Ja, nicht ver-trösten! Sondern in den Arm nehmen. Die Hand halten. Nahe sein und Nähe suchen. Gemeinsam aushalten. Nichts oder gar nicht viel sagen. Die Hoffnung nicht aufgeben, denn sie stirbt, entgegen der landläufigen Meinung, nie. Niemals! Ich erinnere mich an eine Predigt, die ich mal als Notfallseelsorger bei der Trauerfeier für sechs junge Männer gehalten habe, die nach einem Discobesuch mit ihrem überbesetzten Auto an einem Baum gelandet waren und alle noch an der Straße gestorben sind: Die Warum-Frage habe ich herausgeschrien und konnte sie nicht beantworten. Es bleibt nichts, als die Klage vor Gott auszubreiten und darum zu beten, uns wieder zueinander zu bringen (jetzt sofort, hier in der Kirche!) und zu Gott, wie in den Klageliedern der Bibel.

⮝ Impulse

4. Etappe

Die Strecke

Nach einer kleinen Fotosession im Kloster Lüne mit Sonnenlicht von der anderen Seite als gestern abend ging es früh durch die Altstadt zum Bäcker Hesse Am Sande zum Open-Air-Frühstück. Meine Tourplanung hatte bis Deutsch Evern den Ilmenauradweg in petto, den ich auf diesem Abschnitt ja schon gestern gefahren war. Ich fahre ungern dieselbe Route zurück, und so habe ich spontan umgeplant und eine Route auf der anderen Ilmenauseite ausgesucht: Erst am Lösegraben entlang, dann neben den aufgelassenen Gütergleisen der Osthann. Eisenbahnen durch den Stadtteil Wilschenbruch und auf einen alternativen Waldtrail durchs Düvelsbrook. Nähe der Roten Schleuse dann wieder auf den Ilmenau-Radweg.

Auch dieser Flussradweg besteht weitgehend aus unbefestigten Feldwegen, die aber wegen des trockenen Wetters gut zu befahren sind. Lange geht es parallel zur Bahnstrecke nach Hannover auf Waldtrails entlang bis Hohenbostel. Die Via Scandinavica ist allerdings nicht ganz identisch, sondern verläuft auf Fußwegen direkt an der Ilmenau. Von Hohenbostel nach Bienenbüttel geht es mal wieder auf Asphalt. Die St. Michaeliskirche war zwar noch geschlossen, aber ich konnte mir im Gemeindebüro den Schlüssel holen. In der Kirche war schon alles für die sonntägliche Eucharistie-/Abendmahlsfeier vorbereitet. Die freundliche Pfarrsekretärin erzählte mir, dass im Gemeindehaus Schlafplätze (keine Betten) für Pilger bereitgehalten werden, die auch in Anspruch genommen werden (vorher anmelden). Nächstes Zwischenziel nach nur 1 km war die uralte St. Georgskirche in Wichmannsburg, die geöffnet war, einen Stempelkasten und ein Seelsorgeangebot bereithielt.

Das 4. Heidekloster Medingen ist das einzige barocke der Heideklöster und sieht daher ganz anders aus, als ihre „Geschwister“. Hier konnte ich nur bis in den Vorhof vordringen – weiter hinein kommt man nur mit einer Klosterführung oder zum Gottesdienst-Feiern. Keine Rezeption, keine Klosterstube oder ähnliches, geschweige denn ein Pilgerstempel. Anlage und Schaukasten machen einen Pilger-unfreundlichen Eindruck: „...wir bitten um Verständnis...“. Das fällt mir schwer, für eine Station an einem europäischen Jakobsweg! Sogar ein junger Mitarbeiter, der gerade aus dem (immerhin im Kloster stationierten) Pfadfinderbüro herauskam, wusste nichts vom Pilgern und der Via Scandinavica. Im nebenan befindlichen Gustav-Stresemann-Institut konnte ich mir wenigstens einen Anwesenheitsstempel abholen. Umso schöner ist dann der Ilmenauweg nach Bad Bevensen, wo zum Wochenmarkt das Gemeindehaus neben der Dreikönigskirche eine Kaffeestube offen hält. (So muss Kirche sein!) Eine kleine Gästerunde lud zu angeregtem Gespräch ein. Auf dem Markt konnte ich mich noch mit einem Mittagsimbiss ausstatten, bevor es durch den Kurpark und dann in die Bünstorfer Heide hinein ging. Bei der Mittagspause an der Schutzhütte Klein Bünstorf ertönten aus den umliegenden Dörfern die Feuersirenen, und hinter dem Wald stieg eine dicke Rauchwolke auf. Es war wohl eine Erntemaschine in Brand geraten. Vor und hinter Jastorf kreuzt die Route zweimal den Elbe-Seitenkanal, der hier auf einem hohen Damm und mit Trogbrücken über Straßen und die Ilmenau hinweggeführt wird.

Bei Emmendorf verlasse ich den Ilmenau-Radweg für einen Abstecher über Ripdorf zum Uelzener Stadtteil Oldenstadt, wo einst ein Benediktiner-Mönchskloster bestand. Die Kirche ist noch in Teilen erhalten. Also kein bewohntes Heidekloster im klassischen Sinne – und die Kirche leider geschlossen.

Von Oldenstadt nach Uelzen gibt es einen Radweg, der spektakulär unter dem Elbe-Seitenkanal hindurch geht, und vor der Uelzener Altstadt mit der „Langen Brücke“ über die Ilmenauwiesen geführt wird. Die St. Marienkirche war zwar geöffnet und bewacht, aber einen Stempel konnte ich nicht erhalten – die offiziellen Pilgerwege berühren Uelzen nicht. So musste wieder ein Café dafür herhalten... Natürlich war ein Abstecher zum Hundertwasser-Bahnhof ein Muss – und das Bahnhofsgebäude baustellenbedingt gar nicht anfahrbar. Aber der moderne Ausgang zur Stadtseite führt in den Bahnhofstunnel, sodass doch noch einige Fotos möglich wurden. Einen Erinnerungsort an die Ermordung eines Fahrgastes vor einiger Zeit, der völlig ohne Anlass die Bahnsteigtreppe heruntergestoßen wurde, habe ich nicht gesehen.

In der Open-Street-Map von komoot taucht in Uelzen die Location „Gebetshaus Lüneburger Heide“ auf. Ich bin neugierig und habe mich bei der Tourplanung mit Mitgliedern verabredet. Nach viel Tradition und Museumsbetrieb bei den Heideklöstern sehe ich hier den Versuch, christlichen Glauben auf neue Art und Weise erlebbar zu machen, indem einfach viel gebetet und gesungen wird, und zwar multikonfessionell – der Kontakt zu landeskirchlichen oder katholischen Gemeinden ist allerdings noch sehr ausbaufähig. Der Musikstil orientiert sich an Praise & Worship (USA-freikirchl. Webseite). Jeden Tag gibt es Gebetszeiten bzw. -gruppen, allerdings nicht rund um die Uhr. Eine Dependance besteht in Lüneburg, wo man sich in der Matthäus-Gemeinde (Mülheimer Verband) trifft. Hoffnungsorte? Dazu gehören immer drei Dinge: Glaubensdienst – Gottesdienst – Geschwisterlicher Dienst (die drei klassischen Grundfunktionen der Kirche: Martyria-Leiturgia-Diakonia). Selbstverständlich kann man als Community für das geistliche Leben Schwerpunkte setzen (als Einzelner muss man es wohl auch). Dabei müssen die drei Grundfunktionen nicht nur gesamtkirchlich, sondern auch bei Gemeinden und Gruppen-Initiativen im Blick bleiben. Für eine gesunde, pastorale Strategie ist es gut, mit Beten anzufangen, und nach dem Willen Gottes für die Stadt oder das Dorf zu fragen! Nach einer gemeinsamen Gebetsrunde mache ich mich auf den Weg zum Nachtquartier etwas außerhalb von Uelzen in Klein-Süstedt.

⮝ Etappen


Die Impulse

L 4 Nackte... Kleiderkammern. Viele Initiativen kümmern sich mit Ehrenamtlichen darum. Second-Hand-Läden verdienen sich einen Obulus damit. Wobei der Konsumartikel-Kreislauf durchaus zum Klimaschutz und zum bewussten Verbrauch von Rohstoffen beiträgt. Nackt hat sich Gott ans Kreuz nageln lassen und sich so der Würdelosigkeit preisgegeben, welche die Machthaber als Herrschafts- und Mordinstrument ausspielen (in Gaskammern, Hamas-Tunneln und anderswo). „Bei Euch aber soll es nicht so sein“, sagt Jesus (Mk. 10,43). „Nie wieder!“ denke auch ich. 1943 stand die Gestapo in der Küche meiner Eltern und Großeltern, im Zuge der Ermittlungen im Umfeld der späteren vier Lübecker Märtyrer, und hofften die vervielfältigten Predigten des münsteraner Bischofs Clemens August von Galen für die Feldpostbriefe an die Soldaten zu finden. Das ist ihnen gottlob nicht gelungen. Ja, Barmherzigkeit ist eine höchst politische Tugend! Weil Gott barmherzig ist. Immer. Zu Jeder und Jedem. Und nicht nur zu Deutschen.

G 4 Sünder... Zurechtweisen, wie es in der klassischen Formulierung heißt? Den Pharisäer heraushängen lassen, so von oben herab: Ich bin viel besser als Du, ich hab's geschafft, ich bin jetzt wiedergeboren, ich bin oben – und Du unten! Du bist schlecht, Du bist Nichts... Du musst Dich erstmal bessern, Du musst Dich bekehren, Du musst erstmal Deinen Lebenswandel ändern, bevor ich mich mit Dir abgebe, bevor Du unsere Gemeinde wieder betreten darfst... Gott liebt die Sünder. So einfach ist das. „Barmherzigkeit will ich, nicht Opfer!“ (Hos. 6,6 und Mt. 9,13), sagt er. Das sprengt unser Frömmigkeitssystem – und zwar das aller Konfessionen und Religionen. Jesus und Paulus waren Systemsprenger! Bevor ich mich über die Splitter der anderen echauffiere (Mt. 7, 3-5), soll ich erstmals den Balken in meinem eigenen Auge wahrnehmen. Und dann wird alles „gar nicht so schlimm“? „Sünde? – Ich?“ höchstens gegen meine Diät... Nein, nicht den Mantel von „Friede-Freude-Eierkuchen“ über die Missstände und strukturellen Boshaftigkeiten unserer Welt ausbreiten, bei denen ich unbedarft mitmache, aber die Moralkeule über Minderheiten schwinge! Und schon gar nicht den Zeitgeist mit Gottes Geist verwechseln, sondern, und ich habe das umformuliert: Sünder höflich hinterfragen! Ins Gespräch kommen. Immer wieder. Nicht nachlassen, miteinander zu reden reden reden ...

⮝ Impulse

5. Etappe

Die Strecke

Hinter Uelzen verzweigt sich die Ilmenau in die Gerdau und Hardau, sowie in die Stederau. Auch der Radweg bekommt eine westliche und östliche Route. Da mein Übernachtungsort Klein Süstedt etwas außerhalb von Uelzen liegt, komme ich in Holdenstedt zuerst wieder auf die westl. Radroute, und über Wrestedt dann nach Stederdorf, wo der Ilmenauradweg noch bis Bad Bodenteich ausgeschildert ist. Schlosspark und Schloss in Holdenstedt waren leider nicht zugänglich, und die St. Nicolaikirche, eine der ältesten Kirchen der Region, (am Samstagvormittag) ebenfalls geschlossen. Der Ilmenau-Radweg nach Wrestedt hat dann kurz vor der Bornbachbrücke in der Kurve noch einmal Kopfsteinpflaster. In Wrestedt kommt man an einem „richtigen“ Filmtheater und einer Wassermühle am Eisenbach vorbei, bevor in Stederdorf die Feldsteinkirche St. Laurentius grüßt, aber auch geschlossen ist. Die Route biegt dann rechts von der K 17 ab undf windet sich in vier Kurven zur Schleuse Uelzen hoch. Hier stand ich dann vor einem Sperrzaun, und die Überquerung der Schleusenanlage war nicht möglich. Da ich aber sowieso einen Abschnitt auf dem Treidelpfad des Elbe-Seitenkanals fahren wollte, musste ich halt auf dieser Seite bleiben, was nicht weiter tragisch war. Sie war gut zu befahren, geschottert, und sogar touristisch in Abständen beschildert. Zwei Schiffe bekam ich zu Gesicht.

An der übernächsten Brücke konnte ich den Kanal überqueren und nach Wieren fahren. Auch ohne Pilgerweg hat die Kirche das Patronat des Apostels Jakobus, aber leider war auch hier alles geschlossen, und nicht einmal ein Schaukasten oder sonstige Hinweise deuteten auf ein Gemeindeleben hin. Aber da gibt es ja auch noch die alte Feldsteinkirche mit ihren Erklärungstafeln die erzählen, was man alles beim Betreten erleben könnte! Aber auch diese Türen waren fest verschlossen... Ein kurzer Stopp an der am Radweg liegenden kath. St. Bonifatiuskirche in Bad Bodenteich bescherte mir leider auch nur geschlossene Türen. Das hatte ich nicht erwartet...

Ganz anders präsentiert sich dagegen die St. Petrikirche in Bad Bodenteich, zu der man nach einem Blick auf die Burg Bodenteich gelangt. Sie ist offen, und man kann sogar das Leitbild der Gemeinde lesen: „Wir wollen als Kirchengemeinde für alle Generationen eine lebendige, einladende, und helfende Gemeinde sein, in der Gott erfahrbar wird.“ Ein Hoffnungsort mit Ansage! Kirche und Gemeinde nicht als „geschlossene Gesellschaft“, wie ich sie auf meinem Pilgerweg wahrgenommen habe – zu oft, wie ich finde.

In Bad Bodenteich endet der Ilmenau-Radweg (oder beginnt er). Mit dem Fahrtrichtungswechsel nach Süden musste ich gegen erheblichen Gegenwind antreten, und ich war froh, diesen Abschnitt nicht auf dem Kanal-Treidelpfad geplant zu haben, sondern relativ parallel auf Asphalt. Bis zum Kloster Isenhagen bei Hankensbüttel war es noch der Weser-Harz-Heide-Radweg, aber dann ist die Ostheide vom Landkreis Gifhorn nicht so üppig mit Radinfrastruktur ausgestattet, wie die Nord- oder Südheide. In Lüder passiert man die alte St. Bartholomäuskirche (geschlossen) mit dem riesigen Findling davor.

In Hankensbüttel kommt man zuerst zum Otterzentrum und kann eine Pause mit Toilettengang und „Pilger“Stempel einlegen, und sich über die interessante Arbeit dieser Stätte informieren. Gleich nebenan liegt das 5. Heidekloster Isenhagen, das wieder mittelalterliches Flair ausstrahlt. Auch hier gibt es nur zu Klosterführungen und den Sonntagsgottesdiensten der Kirchengemeinde offene Türen. Aber Mittwochsnachmittags lädt die Klosterstube zum offenen Treff ein. Und das Kloster hat ein Gästehaus, vorwiegend für Frauen, aber nicht ausschließlich. Hier kann man auch „Kloster auf Zeit“ machen, mit geistl. Begleitung durch eine Konventualin! Die äußerliche Größe der Kirche und Gebäude haben mich beeindruckt. Bei einem Routenschlenker mit Mittagspause in Hankensbüttel (Dorfkirche St. Pankratius samstags geschlossen) habe ich mich entschieden, wegen des immer stärker werdenden Gegenwinds die Routenführung durch die Heide zu verlassen und auf dem passablem Seitenradweg der K 7 weiter zu fahren. Ab Oerrel schlägt dann der Weser-Harz-Heide-Fernradweg seine Richtung nach Süden ein, und die weitere Routenplanung muss erst einmal ohne Pilger- oder Radfernwege auskommen. Ab Langwedel bin ich auf der K 87 geblieben, um zügig weiter nach Groß Oesingen zu kommen, wo ich aus persönlichen Gründen unbedingt hin wollte. Bei gutem Wetter empfehle ich die geplante, abwechslungsreichere Route durch die Ostheide.

Ziel in Groß Oesingen war die Immanuelskirche, eine lutherische Freikirche mit besonderer Geschichte durch die „Hermannsburger Erweckung“ im 19. Jhdt. Ganz unerwartet stieß ich auf dem Gelände zu einer Kinderfreizeit hinzu, und ich wurde spontan zu Kaffee und Kuchen eingeladen. Die Kinderfreizeit sollte am morgigen Sonntag in das jährliche Missionsfest übergehen, und so wurde mein eingeplanter Tourpausen-Sonntag mit Festgottesdiensten, Posaunenchor (für mich seit Kindertagen immer mit Gäsehaut verbunden...!), Rundum-Catering und vielen Begegnungen und Gesprächen zu einem Highlight meiner Pilgerfahrt. Das Quartier für die nächsten beiden Nächte war eher privat organisiert, hatte aber die professionellen Möglichkeiten eines Gasthauses.

⮝ Etappen


Die Impulse

L 5 Kranke... Wie war das mit der Quarantäne? Wie ging es den Alten in den Heimen? Wie einsam wurde auf den Intensivstationen gestorben? Was haben geschlossene Schulen und KiTas mit den Kindern gemacht? Politisches Handeln soll Schaden abwehren. Das haben wir gemacht. Heute sind wir klüger: Es war teilweise zu rigoros. Heute haben wir aber auch mehr Möglichkeiten, medizinisch und überhaupt. Aber unser Gesundheitssystem ist per se verbesserungsbedürftig. Auch dies wird komplexer, so wie es die Zukunft nunmal grundsätzlich ist. Ansteckung ist bei weitem nicht mehr so gefährlich wie in Alten Zeiten. Darum kann ich Krankenbesuche machen. Das ist nicht schwer. Mache ich's?

G 5 Beleidigern... Verzeihen – wie schwer ist das! Dem werd ich's aber zeigen! Was erlaubt der sich! Nicht mit mir! Oder in abgeschwächter Form: Ich muss zusehen, dass ich da nicht zerrieben werde. Dass ich nicht unter die Räder komme. Oder: Mutig gegen Ungerechtigkeit vorgehen. Kraftvoll Machtansprüchen widerstehen. Womit schaffe ich das? Mit Gott im Bund, mit Jesus im Herzen (Bergpredigt). Und das dann auch noch „gerne“: Was habe ich denn zu verlieren? Mein öffentliches Ansehen? Meinen „guten Ruf“? Mein Selbstbewusstsein? Meine Persönlichkeit ist ein Geschenk. Die habe ich nicht aus mir selbst produziert, sondern die verdanke ich meinen Eltern, Lehrern, Freunden und ja, auch Feinden. Also eine gesunde Selbstkritik bzw. Fähigkeit, Kritik auch anzunehmen und zu bedenken, gehört auch dazu. Dann entsteht die Großmütigkeit, die mich fähig zum Verzeihen macht.


L 6 Gefangene... Ich gebe zu, ich habe damit keine Erfahrung. Gottlob gibt es Menschen, die das können und auch machen. In diesem Punkt kann ich nur im übertragenen Sinne mitreden, aber das will handfeste, leibliche Barmherzigkeit ja nicht. Ge-fangen oder Be-fangen sein, das gibt es in vielen Schattierungen. Abhängigkeiten, Süchte, nicht nur materiell, sondern auch zwanghaft ideologisch – natürlich muss ich mich schützen, aber ich darf nicht die Augen verschließen, und die Flucht zu ergreifen zählt nur im äußersten Notfall. Am besten zur Verbesserung, zur Befreiung beitragen! In den Dschungel der Ansprüche, die auf uns einprasseln, eine Bresche schlagen! Pro-aktiv, so heißt es milde im Management. Ausgerechnet an diesem Sonntag erlebe ich diese Spannung zwischen Freiheit (Erlöst-Sein) „der Kinder Gottes“ und Gesetzlichkeit (Angst haben, überall und vor allem bei Menschen, die anders gestrickt sind als ich, den Teufel wittern!)...

G 6 Lästige... Lass mich in Ruhe! Ich hör Dir nicht zu! Kümmer Dich um Deine eigenen Sachen! Wie oft höre ich das, oder sage ich es auch. Geduld ist eine Tugend, die besonders Eltern und ihre Kinder und umgekehrt herausfordert. Aber sie ist auch ein Lernfundament. Ohne Geduld wird Übung nichts. Ohne Geduld kein Erfolgserlebnis. Im Management können Motivations- und Überzeugungsphasen lange dauern. Kein Transformationsprozess geschieht Hopplahopp, auch nicht Umkehr. So ist das Innehalten am Sonntag, das Sich-von-Gott-ansprechen-Lassen, und die Besinnung auf das Wesentliche im Leben (Glaube im Alltag) sowohl in der Bilanz, als auch für Zukunftsstrategien (auch im Alter!) eine kulturelle Errungenschaft, die ich nicht leichtfertig aufs Spiel setzen möchte.

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6. Etappe

Die Strecke

Nach Groß-Oesingen hatte ich zu Berufszeiten Beziehungen, und so startete nach dem ereignisreichen Sonn- und Ruhetag mein letzter Pedalpilgertag mit einem Kurzbesuch zwecks „Pilger“stempel in einem dortigen Unternehmen. Dann sollte es aber zügig zum Anschluss an die offiziellen Rad- und Pilgerwege gehen. Bis auf eine schlaglöcherige Schotterpiste hinter der Landkreisgrenze Gifhorn/Celle bis zur Kreuzung mit der L 283 (Hohner Chaussee) ging das auch gut vonstatten, zumal die Windböen abgeflaut waren. Dafür hingen Regenwolken am Himmel, die aber erst ganz am Tourende in Celle ihre Schleusen öffnen sollten.

In Jarnsen wurde das Tal der Lachte erreicht, und auf der anderen Uferseite nähern sich schon die Via Scandinavica von Kloster Ebstorf und der östl. Jacobusweg Lüneburger Heide von Hermannsburg, auf die meine Pilgerroute schließlich in Lachendorf einmündet. Trotz der Lage an den Pilgerwegen ist man in Lachendorf noch recht pilger-unerfahren, aber im Rathaus und bei der kleinen Christuskirche (SELK) sehr interessiert. (Die landeskirchl. Arche-Noah-Kirche habe ich nicht angesteuert.) In Oppershausen gibt es die kleine Maria-Magdalenen-Gutskapelle, die einen verfallenden Eindruck macht. Gutsverwaltung und Öffentlichkeit haben wohl kein Interesse mehr, ein solches Kleinod zu erhalten. An der Allerbrücke vereinen sich die Pilgerrouten mit dem Aller-Radweg, der nun bis Celle die Strecke bestimmt.

Aber vorher kommt noch das 6. Heidekloster Wienhausen. Dem würde ich mit Walsrode und Lüne den Titel „pilgerfreundlichstes Heidekloster“ verleihen. WegzehrungWas hier an Pilgerbetten fehlt (es gibt ausreichend Gastronomie in unmittelbarer Nachbarschaft), wird durch eine offene Kirche inkl. Pilgerservice (und Toilette) wettgemacht! Nur meine Ankunft an einem Montag (auch die Museen an den Heideklöstern sind dann geschlossen) führte dazu, dass ich einen Stempel für meinen Pilgerpass in einer Gesundheitspraxis holen musste, weil das ans Kloster angrenzende Hotel der Lebenshilfe Celle keine Rezeption mehr hat. Beeindruckend die Kirchen- und Klosterfassade, die mit ihrer Backsteingotik schon sehr norddeutsch aussehen. Auch das Umfeld mit Wassermühle, freistehendem Holzkirchturm und Klosterpark ist eine gute Pause wert. Nicht umsonst ziert sich Wienhausen mit dem Prädikat „Klostergemeinde”, was hoffentlich auf gute Beziehungen des Stiftsdamenkonvents zur Einwohnerschaft und umgekehrt hindeutet.

Der Aller-Radweg an der renaturierten Allerschleife Theewinkel geht an einer spektakulären Fischtreppe vorbei, an der sich ein Stopp lohnt. Aber hinter dem Osterloh-Wehr erwartete mich das letzte Lüneburger-Heide-Kopfsteinpflaster, das man aber am Rand gut ignorieren kann.

Höhe Altencelle biegt die Radroute in die Obere Allerniederung ab, die direkt am Fluss mehr und mehr parkähnlicheres Aussehen und entspr. Wege bekommt. Und dann ist man auch schon in der Stadt, und über die „Pfennigbrücke“ ist die Celler Altstadt mit ihren vielen Highlights (Fachwerkhäuser, Schloss) erreicht. Für die Mittagspause war die Fleischerei an der „Stechbahn“ (Kirchplatz) gut, aber die Stadtkirche St. Marien war geschlossen, weil Montag war. Den letzten Pilgerstempel mit der Jakobsmuschel konnte ich mir aber in der Touristen-Info (Markt 7) holen, wo ich interessiert über meine Pilgerfahrt ausgefragt wurde.

Diese letzte Etappe war die kürzeste, weil ich ja am Nachmittag noch per Bahn nach Hause fahren musste. Und auf dem Weg zum Bahnhof brach dann so plötzlich der Regen los, dass ich mein Regenzeug gar nicht mehr aus den Taschen herausfummeln konnte, ohne nicht schon vorher durchnässt zu sein! Aber das war mir dann auch egal, und so bin ich nass bis auf die Knochen zum Bahnhof weitergeradelt. Die Kleidung wurde im Metronom nach Hannover überraschend schnell wieder trocken, wo im Hbf. noch Zeit für einen teuren, aber heißen Kaffee blieb.

⮝ Etappen


Die Impulse

L+G 6 Lebende und Verstorbene... Füreinander zu beten sollte für Christen selbstverständlich sein. In meiner Gemeinde gehört „helfendes Gebet“ zum Standard fast jeden Gottesdienstes. Dafür haben die Beterinnen und Beter extra eine Seelsorge-Fortbildung (bei der Ignis-Akademie) gemacht. Manchmal spenden sie dabei die Krankensalbung zur Stärkung. Auch Beichtgespräche kommen vor (Jak. 5,16!). Also nicht irgendwann einmal irgendwo ein stilles Vater-Unser oder Ave-Maria, wie ich es von früher her kenne, sondern sofort, direkt, vernehmlich, und frei formuliert, so wie in meiner Gemeinde Kinder und Jugendliche beten lernen. Frei und „laut“ zu beten war während meines Studiums eine der befreiendsten Erfahrungen. Wir haben es auch in unserer WG gemacht, nach der Losung, vorm Frühstück (wir waren an der KathHo Paderborn!).

Tote zu begraben ist ein Werk der Barmherzigkeit, das jedem Menschen und jedem Christen aufgetragen ist. Daher ist die Bestattung und ihre Feier auch kein Sakrament, für das eine geweihte oder ordinierte Person erforderlich wäre. In der kath. Kirche nehmen längst sog. „Laien“ (die natürlich eine Fortbildung gemacht haben) Beerdigungen vor. Evangelischerseits ist man da noch eher klerikal eingestellt. Wobei es bei der Fortbildung natürlich um die Seelsorge für die Hinterbliebenen geht, und um die würdige Gestaltung einer Bestattungsfeier. Die technische Seite, Tote zu begraben, erledigen längst entspr. Fachkräfte. Ich bin schon alt, und daher habe ich mich öfter mit dem Thema Sterben und Tod auseinandergesetzt. Der Römerbrief hat starke Worte: Was kann uns trennen von der Liebe Gottes zu uns? Weder Tod noch Leben, irgendwelche Gewalten, Herrschaftsansprüche, Mächte und Kräfte! (Röm. 8,38) oder, wenn uns das Leben beutelt: In großer Geduld, in Trübsalen, in Nöten, in Ängsten, in Schlägen, in Gefängnissen, in Verfolgungen, in Mühen, im Wachen, im Fasten, in Lauterkeit, in Erkenntnis, in Langmut, in Freundlichkeit, im Heiligen Geist, in ungefärbter Liebe, in dem Wort der Wahrheit, in der Kraft Gottes, mit den Waffen der Gerechtigkeit zur Rechten und zur Linken, in Ehre und Schande; in bösen Gerüchten und guten Gerüchten, als Verführer und doch wahrhaftig; als die Unbekannten und doch bekannt; als die Sterbenden, und siehe, wir leben... (2. Kor. 6, 4b-9a) Als Christ habe ich weder Tod noch Teufel zu befürchten! Und kein Verstorbener soll in der Gemeinde vergessen sein. Da haben Evangelische einen gewissen Nachholbedarf. Natürlich kann ich mit betendem Gedenken niemand aus der Hölle, bzw. aus einem angeblichen „Läuterungsort“ (Fegefeuer) herausholen, und die „Heiligen“ stehen auch nicht zwischen mir und Gott, so dass ich zu ihnen beten müsste (höchstens mit ihnen). Aber ich hoffe natürlich nicht nur für mich, sondern auch für alle, dass sie den Sinn und das Ziel ihres Lebens erreichen – die einen eher, die anderen später. Alles im Leben von Gott zu erwarten, dazu gehört auch die Annahme des eigenen Todes – der für mich als Christ ein Übergang in ein neues Leben ist, dessen Wie und Wann nur Gott kennt. Jeglicher „himmlischen“ Spekulation enthalte ich mich.

⮝ Impulse

Wieder zu Hause

Ein Barmherzigkeits-Impuls fehlt noch – für den 1. Tag zu Hause:
PP. Franziskus hat eine Nr. 8 eingeführt: Die Schöpfung bewahren, d.h. praktisch (leiblich) die Umwelt und das Klima schützen. Er weist ausdrücklich auf die modernen Fluchtursachen hin, und auf die möglichen Kriege der Zukunft um Rohstoffe und Wasser. Am 24. Juli 2025 hat die Menschheit ihr Jahresbudget an Rohstoffen und Energie unserer schönen Erde verbraucht („Earth Overshoot Day“). Im weltweiten CO2-Ausstoß liegt Deutschland auf Platz 5. Klimaschutz ist also nicht nur eine Aufgabe für irgendwann in ferneren Zeiten, sondern holt uns schon heute ein: Der Mangel an Klimaschutz hat bereits in jüngerer Vergangenheit global extreme Wetterlagen aufgrund von wirtschaftspolitischer Blindheit hervorgebracht. Es ist längst fünf nach zwölf (und friedenspolitisch anscheinend leider auch). Meine konsum-verursachte Mitschuld an den Ungerechtigkeiten dieser Welt kann ich nur vor dem Kreuz Jesu Christi abladen. (Übrigens...) Welchen Beitrag leiste ich, und was kann ich für die Zukunft nicht nur meiner Kinder und Enkel tun?

Was ich als ausgesprochen christlich ansehe, sind ausgerechnet die „grünen“ und „linken“ Grundwerte, die meinen Alltag ausmachen. Schöpfungsverantwortung und christl. Soziallehre sind längst christlich-konservativ konnotiert: Kritisch konsumieren (wo, von wem und wie werden meine Kleidung, Lebensmittel und Konsumgüter hergestellt?), Energie sparen (ein eBike braucht Strom, der ja nun auch von irgendwo her kommen muss!), Plastik vermeiden, wenig Fleisch essen (Industrie-Schwein und -aufschnitt möglichst überhaupt nicht), Bio-Produkte bevorzugen, Bus und Bahn benutzen, Fahrrad (mit Muskelantrieb!) fahren, Ü60-Männerfitness, 8–9 Std. Nachtschlaf, mich der „Meta-, Windows- und Streaming-World“ verweigern (Facebook, Insta, WhatsApp, Microsoft, Tiktok, X, Spotify, Netflix...) – ist christlich zu glauben ein Verbotssystem? Nein – alles ist „erlaubt“, aber nicht alles tut mir und der Menschheit gut! Man wächst mit den Aufgaben, das ist auch bei Verantwortung so. Statt Verboten lieber pro-aktiv sein: Mit Menschen reden, für Lohn- und Klima-Gerechtigkeit eintreten, friedvoll werden und sein, damit sich Frieden um mich herum ausbreitet und in die immer komplexer werdende Gesellschaft überspringt. Genau: Jüngerschaft ist eine Lebensaufgabe! Allzuviel Zeit habe ich ja nicht mehr, und darum nehme ich mir heraus, hinsichtlich der Zukunft von Kirche und Welt sehr ungeduldig zu sein!

⮝ Impulse

Barmherzigkeit ist noch nicht einmal etwas speziell Christliches. Sie bildet eine Schnittmenge zwischen den meisten großen Religionen. Im Islam ist sie die wichtigste Eigenschaft Gottes (Sure 5,12, mit Ausnahme der 1. beginnen alle Suren mit „Im Namen Gottes, des Gnädigen, des Barmherzigen...“). Juden und Christen glauben, Gott habe die Menschheit „nach seinem Ebenbild“ geschaffen (1. Mos./Gen. 1,26f), „männlich und weiblich“ (V. 27, „und“, nicht „oder“!). Barmherzigkeit ist also etwas zutiefst Menschliches, weil sie Gott abbildet. Damit ist sie die Wurzel der Menschenwürde, auf die alle Menschen ein Recht haben, egal in welcher Staatsform. „Die Würde des Menschen (aller Menschen!) ist unantastbar.“ (GG Art. 1) Für Jesus ist Barmherzigkeit eine der Voraussetzungen von Glück in einem erfüllten Leben (Bergpredigt Mt. 5,7), und das beileibe nicht als Vertröstung auf ein besseres Jenseits. Als Gottes Bodenpersonal sind wir Christen dafür zuständig, dass Gottes Barmherzigkeit sich auf Erden durchsetzt. Wo das nicht gelingt, haben wir (und nicht Gott) versagt: Als Menschen, Christen, als Kirchen, als politisch Engagierte. Ohne Barmherzigkeit ist das Leben auf dieser Erde unerträglich, und unser Miteinander unausstehlich. Hartherzigkeit ist der erste Schritt zu Unfrieden und Krieg. Sie spaltet zuerst Familien, dann die Gesellschaft, und letztlich verfeindet sie Nationen. „America first!“-„Najpierw Polska!“-„Realisierung deutscher Interessen“ durch „Rückbau der europäischen Integration“ (AfD-Bundestagswahlprogramm 2025) – wollen wir das ernsthaft? Egoismus und Hartherzigkeit beraubt Menschen der Hoffnung und überantwortet sie der Verzweiflung. Das ist genau das Gegenteil von Glaube und Jüngerschaft, und von Demokratie. Es gibt also genug zu tun – packen wir's an!


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